Touren in Österreich

Großglockner (3798m), Stüdlgrat

19.-21.07.2016

Auf den Höchsten Österreichs

Bereits nach der ersten Woche unserer einmonatigen Alpentour war klar: Antje kann Glockner.

Und weil sie den Konditionstest am Triglav und die Schwindelfreiheitsprüfung an der Großen Zinne locker weggesteckt hatte, konnte die Messlatte sogar noch etwas höher gehängt werden. Normalwege auf begehrte Gipfel haben bekanntlich die negative Eigenschaft, zur Hauptsaison völlig überlaufen zu sein. Auf den Großglockner trifft dies besonders zu. Ganze Kolonnen an Alpinisten und solche, die am gleichen Tag erst gelernt haben, wie man sich Steigeisen anzieht, schieben sich bei gutem Wetter den einfachsten Anstieg hoch. Spätestens beim ausgesetzten Balanceakt vom Kleinen auf den Großen Glocknergipfel mit den abschließenden Kletterpassagen stellen viele Aspiranten fest, dass auch Normalwege kein Spaziergang sind. Die Folge sind Megastaus – fast so schlimm wie auf dem Everest kürzlich..

Darauf kann man ja keine Lust haben! Die riesige Gipfelpyramide des Glockners ist nach allen Seiten hin wild und abweisend und dennoch gibt es eine moderate Alternative, um dem Getümmel zumindest im Aufstieg zu entkommen: Der Stüdlgrat

rot: Stüdlgrat, gelb: Abstieg (Normalweg)

Von Sexten fahren wir nach Kals und parken oben im Ködnitztal auf dem riesigen Parkplatz. Von hier aus kann man schon wunderbar erkennen, was einen am folgenden Tag erwartet: Die Überschreitung von links (Stüdlgrat) nach rechts (Normalweg). Winterlich schaut sie aus – die Pyramide. Offenbar hat es doch mehr reingeschneit, als erhofft. Ob der Grat bei den Verhältnissen überhaupt in Frage kommt?

Wir latschen erst einmal gemütlich zur Stüdlhütte hoch und checken ein.

Zwei Betten im Lager können wir noch ergattern. Gleich danach versuchen wir, an aktuelle Infos zum Grat zu kommen. Unsere Einschätzung bestätigt sich. Der Hüttenwirt spricht sogar von erschwerten Bedingungen aufgrund des Kälteeinbruchs. Aber wir sind gerüstet und entscheiden uns, das Vorhaben der Überschreitung umzusetzen.

In Wahrheit liegt die Crux der gesamten Tour nämlich ganz woanders – und zwar im Speiseplan des Abendessens auf der Stüdlhütte. Wer es schafft, alle Gänge in sich rein zu stopfen, inklusive magenversiegelnder Käseplatte, ohne zu platzen – der hat den Gipfel schon sicher!

Ich bin ja ein guter (Fr)Esser, aber nach dem üppigen Salatbuffet, der Suppe und dem ersten Hauptgang liegt mein Kessel schon halb auf der Tischkante. Danach gibt’s Lasagne, Nachtisch und eine riesige Käseplatte die kein Mensch mehr auch nur anschauen kann, ohne sich dabei anstrengen zu müssen, alles drin zu behalten.

rien ne va plus

Auf dem Bauch schlafen geht danach definitiv nicht mehr. Vorteil: Am Gipfeltag spart man sich das Frühstück und verliert auch keine Zeit für Jausnpausen, weil man eh nix mehr runter bekommt.

Bei Tagesanbruch starten wir, zusammen mit ein paar weiteren Seilschaften und stapfen orographisch gesehen links des Grates den Gletscher aufwärts. Die schwache Spur biegt bald rechts ab und schlängelt sich steil den einfachsten Weg hinauf auf die felsige Schneide. In gutem Aufwärmgelände gelangt man nach leichter Kraxelei zum sog. Frühstücksplatz.

Wunderbar luftig, mal mitten auf dem Grat, mal links oder rechts davon, markante Felstürme umschiffend, balanciert man nun teilweise steil aufwärts. Eine wahre Himmelsleiter!

Die steilen Kletterpassagen sichere ich Antje klassisch nach – den Rest gehen wir größtenteils am laufenden Seil mit Zwischensicherungen. Unser Mut zahlt sich aus – die Schneefelder stellen kein Problem dar, auch ohne Steigeisen. Eine große, geneigte Platte habe ich als Schlüsselstelle in Erinnerung. Eventuell hab ich mich da auch kurz verstiegen und damit ne neue Crux erfunden – jedenfalls steig ich im zickzack hoch und verschwinde durch einen Spalt auf der linken Seite des Blocks in einer Nische und mache Stand am dicken, gebohrten Ring. Antje sehe und höre ich von dort aus nicht mehr. Mit ruckartigem Ziehen am Seil gebe ich Antje zu Verstehen, dass sie nachsteigen kann. Ich warte und warte…hole das Seil ein…warte. Was ist da los? Offenbar gibt es Probleme. Plattenschleicherei mit Bergstiefeln ist eben beim ersten Mal (bei manchen sogar ein Leben lang) gewöhnungsbedürftig. Es dauert eine Weile bis urplötzlich Antjes Kopf über die Kante der Platte spitzt und mich abgekämpft und gleichzeitig erleichtert anschaut.

living on the edge

Nun ist es nicht mehr weit. Wir sehen schon den Normalweg und die Scharte zwischen den Glocknergipfeln. Oben liegt ordentlich viel Schnee – wir steigen auf Steigeisen um und schweben beflügelt von der aufkommenden Gipfelfreud die letzten Meter hoch zum prächtigen, tief eingeschneiten Gipfelkreuz des Großglockners. Ein überaus spektakulärer Anstieg liegt hinter uns.

Im Abstieg über den Normalweg muss man nochmal solide abklettern. Dicke Eisenstangen erleichtern das Sichern. In der Scharte dann wie so oft Stau. Vier bis fünf rothelmige Teletubbis im Aufstieg kommen auf Messers Schneide des Kleinglockners runter zur Scharte überhaupt nicht klar. Schwindelfreiheit wird ja beim Bergsteigen auch oft überbewertet. Einer klammert sich an der Stange fest – ein anderer sitzt schon auf dem Hintern – Nummer drei krallt sich unbeholfen am Hochtourenpickel fest und bewegt sich keinen Millimeter. Läuft! Nach einer halben Ewigkeit des Wartens bin ich kurz davor jeden einzelnen Tubbi einzusammeln, um ihn Huckepack über die Scharte zu tragen. Leider hängen alle an einem Seil. Irgendwann schieben wir uns an ihnen vorbei. Ich vermute sie hängen immer noch da oben. Die Kette aus roten Helmen müsste man vom Tal aus gut sehen.

Die Überschreitung wird nun spontan zur ultimativen Genusstour, denn wir machen auch von der zweiten Hütte Gebrauch. Die Erzherzog-Johann-Hütte thront wunderschön auf der „Adlersruhe“, einem Felsvorbau neben der Gipfelpyramide. Auf einer stattlichen Höhe von 3454m gelegen, ist sie die höchstgelegene Schutzhütte Österreichs. Allein diese Tatsache ist eine Übernachtung wert, denken wir uns. Erstaunlicherweise haben wir nun auch schon wieder Hunger. 😉 Ein Bierchen in der Sonne, mit Ausblick auf die gesamten Ostalpen und dem vollbrachten Tageswerk im Rücken – was will man mehr?!

Der Tag erwacht, allerdings nach mir – denn ich bin schon längst munter und schleich mich davon, um den Sonnenaufgang zu erleben. Wie eigentlich immer in solchen Fällen bleibt Antje lieber in ihrer frühmorgendlichen Totenstarre und verweigert. Das Farbenspiel der aufgehenden gelben Scheibe ist an diesem Morgen atemberaubend! Zentral vor mir – die Dolomiten. Rechts davon: Das Ortler- und Großvenediger-Massiv. Und ganz links, da wo die Alpen schon abflachen, ragt eine markante Spitze in den Himmel: Der Triglav – wo wir eine Woche zuvor noch auf dem Gipfel übernachtet hatten im Sturm.

Irgendwann rappelt sich auch Antje auf. Die letzten Tage waren aber auch wirklich anstrengend. Wir Frühstücken gemütlich und steigen über den Klettersteig ab auf den Gletscher

Antjes erste Hochtour! Was für eine Leistung! 🙂

Steckbrief Großglockner, Stüdlgrat (Südwestgrat):

  • Schwierigkeit: AD (40°, III+)
  • Absicherung: Stände größtenteils gebohrt, neuralgische Stellen oftmals mit Eisen entschärft, dazwischen für’s Wohlbefinden auch Eigeninitiative gefragt
  • Hoch/runter: 900hm Zustieg bis Stüdlhütte, 1000hm von Hütte bis Gipfel (600hm davon auf dem Grat)
  • Übernachtungsmöglichkeiten: Stüdlhütte (2801m) im Aufstieg, Erzherzog-Johann-Hütte (3454m) im Abstieg

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