Touren in Slowenien

Triglav (2864m), Normalweg

10.-12.07.2016

Über die 7-Seen-Tour auf den höchsten Gipfel Sloweniens

Sommer 2016. Einmonatiger Roadtrip der besonderen Art. Quer durch die Alpen. Mit an Bord des kleinen Corollas: Bergsteigerausrüstung, Campingequipment, Badesachen und ein paar grobe Bergziele – sonst nix. In Salzburg gabelte ich Antje auf und wir tuckerten über die Tauernautobahn nach Slowenien. Abgesehen von der ersten Übernachtung am Bleeder See hatten wir nichts gebucht.

Auf den Triglav wollten wir steigen und durch das wunderschöne Tal der smaragdgrünen Soča wandern. Der großflächige Triglav-Nationalpark bietet Wildnis pur – warum nicht gleich eine Mehrtagesrundtour draus machen?! Auf den höchsten Gipfel des Landes am südöstlichsten Ausläufer des Alpenbogens führen viele Wanderwege. Nah ran an den Berg kommt man von keiner Seite. Man muss sich auf einen langen Marsch einstellen. Weder Straßen, noch Gondeln erleichtern den Aufstieg. Vielleicht ist diese Abgeschiedenheit auch der Grund dafür, dass die Natur atemberaubend schön ist hier oben.

Wir entschieden uns für die Zustiegsvariante durch das abgeschiedene 7-Seen-Tal, mit Start am Bohinjska Jezero (Bohinj-See). In Kombination mit dem Triglav als Höhepunkt, dem Abstieg ins Sočatal und dem anschließenden Rückweg durch den zentralen Gebirgsstock des Parks, bastelten wir uns mit Kartenmaterial und einer Outdoor-App einen 5-6-Tagesrundtrip zusammen.

Weil nicht alle Hütten bewirtet sind im Gebiet und wir auch mit Nächten im Zelt geplant hatten, wurden die beiden Rucksäcke entsprechend voll. Zelt, Schlafsäcke, Isomatten, Tomatensauce, Nudeln, Chorizo, Paprika, Ingwer, Taschenmesser, etc. – was man halt so mitnimmt. Auf manchen Bildern war von Antje nur ihr mittlerweile heiliggesprochener Riesenrucksack „schwarzes Loch“ erkennbar.

Das Auto parkten wir in der Nähe der Wasserfälle am Talende hinter dem Bohinj-See, luden uns die Backpacker auf und stürzten uns ins Abenteuer.

Gleich zu Beginn macht man die steilen Talschlusswände hinauf ordentlich Höhenmeter. Die Brühe lief in Strömen. Ohnehin war es recht warm. Da kam uns am ersten der tournamensgebenden Seen eine Abkühlung gerade Recht.

Sogar Meerjungfrauen gibt es hier oben!

Bis hier hin verirrt sich noch der ein oder andere Wanderer, aber ab diesem Punkt sollten wir für den Rest des langen Tages kaum mehr Menschen sehen. Vorbei an schroffen Kalkspitzen und kristallklaren Bergseen schlängelt sich das sanfte Tal durch das Hochgebirgsplateau südwestlich des Triglavs.

Die Vegetation verändert sich über den Tag. Die dichten Wälder und die saftigen Wiesen haben wir bald hinter uns gelassen. Im letzten Tageslicht erreichen wir die traumhaft an einer Steilklippe, direkt neben See Nr. 7 gelegene Berghütte, mit dem unaussprechlichen Namen Zasavska koca na Prehodavcih.

Mit deftigem Eintopf, ein Paar Bier und einem leinwandreifen Sonnenuntergang ließen wir den Tag ausklingen.

Immer wenn ich kurz Internetempfang hatte, checkte ich die Wettervorhersage für den Gipfeltag. Im benachbarten Italien hingen mächtige Gewitterzellen. Alles war abhängig von der Windrichtung. Es sah nach einem Streifschuss aus. Deshalb entschieden wir uns, beim ursprünglichen, abenteuerlichen Plan zu bleiben und die folgende Nacht auf dem Gipfel des Triglavs im Zelt zu verbringen.

Auch am zweiten Tag erwartete uns ein ausdauernder Marsch, mit vielen Gegensteigungen und den ersten Schneefeldern.

Mit von der Partie waren Olaf und Agnes aus Leipzig. An der Dolic-Hütte angekommen hingen in den höheren Regionen vereinzelt Wolken. Nix dramatisches – also auf zum Gipfel! Durch die verkarstete Geröllwüste stiegen wir der steilen Abschlusspyramide des Triglavs entgegen. Wir wussten, dass es auf unserer Seite des Berges einen unschwierigen Klettersteige hinauf geben musste. Schon beim Anmarsch konnte man entlang der Schwachstellen der Wand erahnen, wo der Weg entlangführen wird.

Antje schaute kurz skeptisch, hatte sich aber rasch nach dem ersten Quergang an die Ausgesetztheit gewöhnt. Die luftigsten Passagen sind mit verankerten Drahtseilen entschärft. Nach einer Rampe, in der man auf Steinschlag achten musste, trifft der Kletterpfad auf den Normalweg. Die freie Sicht auf den Gipfel setzte zusätzliche Energien frei.

Kurze Zeit später stehen wir oben…und oben bedeutet hier wirklich ganz oben! Slowenien liegt unter uns – der Triglav ist auch über die Grenzen zu Österreich und Italien hinaus weit und breit der höchste Gipfel, obwohl er noch nicht einmal die 3000er-Marke knackt. Dementsprechend phantastisch ist die Aussicht. Anstelle eines Gipfelkreuzes steht auf dem Triglav eine lustige Rakete mit Stahlfahne als Spitze – Der Aljažev stolp. Und das schon seit 1895. Eine Art Notbiwak, in das gerade einmal zwei Personen aneinandergekuschelt reinpassen.

Zusammen mit den beiden sympathischen Leipzigern und ein paar anderen Bergsteigern genießen wir die Höhenluft, schmissen den Gaskocher an, schmolzen den Gipfelschnee und kochten uns Nudeln und Ingwertee. Noch ein letztes Mal schwappt kurz Empfang rüber und ich kann den Wetter-Forecast aktualisieren. Schaute solala aus, aber zumindest nicht nach Vollkatastrophe. Verschlechterung der Großwetterlage erst ab dem späten Nachmittag des Folgetages. Und tatsächlich sackten die aufgestiegenen Wolken zum Sonnenuntergang auch ab.

Die wabernden Wolkenmassen und die Gewittertürme in der Ferne in Kombination mit der tief stehenden Sonne sorgten für magische Momente.

Zelten ist innerhalb des Parkes eigentlich strikt verboten. Ranger ziehen umher und schaun nach dem Rechten. Angeblich wurden sogar schon Touris im nachhinein verklagt, weil sie ihr Gipfelcampfoto auf Facebook hochgeladen und den Triglav darauf verlinkt hatten. Wir waren also gewarnt und warteten mit dem Zeltaufbau erst einmal bis absolute Ruhe eingekehrt war.

Nachdem sich die Sonne verzogen hatte, wurde es auch gleich frisch und windig. Antje verkroch sich relativ zeitig ins Minizelt, während ich noch eine Weile die Aussicht genoss und die Wolken beobachtete. Der Wind nahm zu und am Horizont über der Adria hingen nach wie vor die Unwetter. Mit etwas mulmigem Gefühl schlüpfte ich in den Schlafsack. Antje war binnen Sekunden eingeschlafen. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Das Zelt wurde ordentlich durchgeschüttelt. Ich wollte mir wieder einen Überblick zur Wettersituation verschaffen und stieg aus dem Zelt.

Was ich dann sah war einfach nur auf eine überirdisch surreale Weise bedrohlich und faszinierend zugleich. Die anrückenden Gewitterzellen schleuderten Blitze in alle Himmelsrichtungen. Grellweiße Entladungen zuckten horizontal durch die Wolkentürme und vertikal nach unten. Rote, bizarr verästelte Strahlen schossen aufwärts und illuminierten die Stratosphäre wie in einem Science-Fiction-Film bei der Invasion von Außerirdischen. Sowas hab ich noch nie erlebt! So stand ich da, im Sturm zwischen flatterndem Zelt und Blechrakete, mit offenem Mund und aufgerissenen Augen. Die Zeit blieb irgendwie stehen. Ich weckte Antje auf, was mir nur mittelmäßig gelang. Leider hab ich’s auch vor lauter Aufregung komplett versäumt Langzeitbelichtungen von diesem „Krieg der Welten“ zu machen. Mit Schlafen war’s ab diesem Erlebnis und der wachsenden Sorge wegen des Wetters dann auch endgültig nix mehr. Ganz anders Antje – die schlief, von den äußeren Umständen offenbar völlig unbeeindruckt, fest wie ein Stein!

Nach ca. 1-2h Gedöse öffnete ich wieder die Augen. Lichtblitze erhellten in regelmäßigen Abständen das Zelt, aber ich hörte keinen Donner. Außer dem tobenden Sturm hörte man ohnehin nix anderes mehr. Wieder streckte ich den Kopf aus dem Zelt. Null Sicht – völlige Nebelsuppe. Die Windrichtung konnte ich an der schwenkbaren Fahne der Gipfelrakete ablesen. Sie zeigte nun genau in Richtung Adria. Schöne Scheiße! In meinem Kopf entstanden bereits Fluchtpläne. Ich sah uns schon zur Rakete rennen, dem kleinen faradayschen Käfig, um Schutz vor den Elektroschocks zu suchen. Antje bekam davon natürlich absolut nix mit im Tiefschlaf. So vergingen die Stunden. Allzeit bereit um die Flucht anzutreten. Doch der Donner blieb aus bis ich plötzlich um ca. 5 Uhr morgens seltsame Geräusche in Zeltnähe wahrnehme. Mein Kopf schlüpft durch den Schlitz im Zelt nach draußen – und was seh ich? Einen Typen mit Helm auf dem Kopf! Was zum Teufel macht dieser Kerl um diese Uhrzeit und vor allem bei DEM Mistwetter hier oben?? Dann schießt mir ein Gedanke durchs Hirn – ist es ein Ranger oder die Bergwacht und wir sind aufgeflogen beim Schwarzcampen?? Ich grüße den Burschen, frag vorsichtig nach und bin kurz darauf erleichtert zu hören, dass es sich tatsächlich bloß um einen gewöhnlichen Verrückten handelt!

Kommt der Typ doch allen Ernstes unten von der Hütte am Fuße des nördlichen Klettersteigs im Sturm bei Null Sicht freiwillig die klatschnasse Wand hoch. Und alles nur, weil er dachte, der Gipfel würde für den Sonnenaufgang seines Lebens gerade so aus dem Wolkenmeer herausragen.

„Tja mein Freund – leider falsch gedacht“, antworte ich ihm und bin gleichzeitig echt froh darüber ihn zu sehen. Bedeutet es doch, dass wir uns nicht inmitten des Unwetters befinden konnten – auch wenn es so wirkte hier oben. Der Slowene schüttelt sich kurz und genau so schnell wie er aufgetaucht ist, war er auch wieder verschwunden. „Verschwinden“ lautete nun ohnehin das Motto! Ohne Hast packten wir das nasse Zelt zusammen und mussten aufpassen, dass nichts fortgeblasen wurde. Vorsichtig stiegen wir ab.

Je weiter wir nach unten kamen, umso besser wurde die Sicht. Am Fuße des Gipfelaufbaus war der Wind nicht mehr so stark. Die Orientierung durch die zum Teil weglose Geröllwüste war allerdings bei immer noch mieser Sicht eine ziemliche Challenge. Hier und da erkannten wir aber bekannte Wegpunkte und waren bald zurück an der Koca na Dolicu (Dolic Hütte). Dort schmissen wir erst mal unsere sieben Sachen ins Eck, atmeten durch, bestellten uns Getränke und eine warme Mahlzeit zum Frühstück. Die hatten wir auch nötig, denn es warteten an diesem Tag insgesamt 2200 Höhenmeter Abstieg auf unsere Gelenke. Dafür immerhin über bestens ausgebaute Bergpfade und durch eine beeindruckende Berglandschaft.

Ewig ziehen sich die Serpentinen ins Tal hinunter

Im Trenta-Tal, westlich des Triglavs, angekommen machten wir Mittagspause an einem hübschen Gebirgsbach. Und weil ich mich weigerte mit Essensresten zurück in die Zivilisation zu kommen, gab es wieder Pasta – zur Abwechslung mit Pesto. 😉

Die ersten kleinen Häuser tauchten auf und bald erreichten wir die Soča. Mit der Busfahrt nach Bovec Endete unsere Königsetappe durch den Triglav Narodni Park. Der Wetterbericht sollte letztenendes doch im großen und ganzen Recht behalten, denn in der Unterkunft angekommen fing es an zu regnen. Zwei Tage saßen wir in Bovec fest und nutzten die kurzen, regenfreien Zeitfenster für kleinere Ausflüge zur Sočaquelle, der Sočaschlucht und den Wasserfällen Slap Virje, Slap Boka und Slap Savica.

Wir wären gerne noch länger geblieben, aber es blieb leider unbeständig und es gab ja noch so viele Berge, die auf unsere Besteigung warteten. Drum brachten uns Bahn und Bus, anstelle unserer Beine zurück zum Auto. Unwetter bei Kranjska Gora hatten die Passstraße zum Sočatal weggespült, so dass wir gezwungen waren, die halben Julischen Alpen zu umfahren, um zurück zur Unterkunft in Bovec zu gelangen.

Das Wetter bestimmte nun den weiteren Verlauf der Tour. Schnell waren mit der App die angrenzenden Regionen abgecheckt. Ergebnis: Kaiserwetter in den Dolomiten!

Vor Antritt der Reise hatte ich mir potentielle Ziele überlegt und mit Antje bequatscht. Nachdem wir nun schon Mehrseillängen an der Hohen Wand bei Wien geklettert hatten und Antje sich selbst von nahenden Unwettern und kniekillenden Mehrtageswanderungen nicht hat aus der Ruhe bringen lassen, war klar wo es hingehen musste:

Auf zur Großen Zinne! 🙂

Steckbrief Triglav, südlicher Normalweg:

  • Schwierigkeit: Stellen I-II
  • Absicherung: Alle ausgesetzten Stellen sind mit Stahlbolzen und Drahtseilen entschärft
  • Hoch/runter: 2200hm
  • Übernachtungsmöglichkeiten: Je nach Zustieg Dolic-Hütte oder Dom-Planika-Hütte. Alternativ: Illegal Zelten auf den einzigen flachen 2 Quadratmetern des Gipfels 😉

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