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Aiguille de Rochefort (4001m) & Dent du Géant (4013m), Rochefort-Grat & Südwestwand

03.07.2022

4000er-Sammeln leicht gemacht. Über den Grenzgrat auf den Blitzableiter.

Mit dem wohl außergewöhnlichsten Biwakspot, den man nur haben kann, ohne jeglichen Zustiegsschweiß zu vergießen, starten wir in unsere Westalpen-Woche. Per „Skyway Monte Bianco“-Gondel hoch auf die Helbronner, finden wir nahe der Bergstation ein bequemes Podest am Abgrund, mit Blick zum wahren Skyway rüber – dem Peuterey integral.

Unser Ausblick vom Biwak aus
Good night !

Damit das Verhältnis aus Stapfen zu Kletterspaß auch passt, haben wir uns als Eingehtour eine Kombination aus Rochefort-Grat + anschließender Besteigung des markantesten Fingerzeigs des Gebirges – dem Dent du Géant – ausgedacht.

Der gemeldete Wind legt über Nacht nochmal kräftig zu und sorgt dafür, dass der zu erwartende Massenandrang auf dieser Route etwas eingedämmt wird. Bis zu 60 km/h auf dem weit und breit ausgesetztesten Grat und Felszahn – schon eine eher herbe Angelegenheit, aber wer die nächtlichen Schnarchtiraden Roberts überlebt hat, den juckt sowas auch nicht mehr.

Gegen 4 Uhr stapfen wir los. Der Firn hat über Nacht glücklicherweise genug angezogen, wir kommen gut voran. Über uns am steilen Zustieg hoch zum Dent reiht sich bereits Kopflampe an Kopflampe. Wir holen die Glühwürmchen bald ein und sehen auch gleich warum: Mehrere große Seilschaften hintereinander, die völlig immobil am Seil durch das schneefreie Blockgelände mit Steigeisen an den Füßen durchsichern. Willkommen am Rochefort – der Tour für jedermann. Schnelle Erreichbarkeit, überschaubarer Zustieg, maximales Alpinabenteuer + 4000er-Action in einem. Das Überraschungsei für den Alpin-Rooky. So jedenfalls die allgemeine Ansichtsweise. Bei der aktuellen Witterung, dem Sturm und einem bereits etwas ausgeaperten Grat oben aber heute ein großer Trugschluss. Von den früh morgens überholten Seilschaften sehen wir deshalb auch keine einzige mehr im weiteren Tagesverlauf.

Wir sind mittlerweile an allen vorbeigeflitzt. Aus der Turiner Hütte ganz links im Bild kommen immer noch Glühwürmchen nach.

So können wir den Rochefort, der auch schon bessere Zeiten erlebt hat, ohne größeren Gegenverkehr, bei akzeptablen Verhältnissen und einer steifen Brise durchaus genießen. In 90min sausen wir vom Dent rüber auf die Aiguille de Rochefort. Fast wären wir einfach weiter gerannt zur Jorasses, ziehen aber noch rechtzeitig die Handbremse… beim nächsten Mal dann. 😉

Auf dem Hinweg lassen wir den Dent noch links liegen.
Mystische Stimmung.
Kurzes Abseilmanöver
Daaaa geht’s später auch noch hoch…
Lässige Kletterei an der Aiguille de Rochefort.
Das Mer de Glace fließt gemächlich durch das Tal.
SUMMIT Aiguille de Rochefort!

Zurück am Riesenzahn macht uns der Sturm doch etwas Sorgen. Wir stehen am sog. Frühstücksplatz (=Einstieg zum Dent-Normalweg) und der Wind pfeift mit aller Urgewalt ums felsige Eck, zudem liegt der gesamte Anstieg noch im Schatten.

Mit angefrorenen Fingern kommen wir mit einem kräftigen Bouldermove am bequemen Standplatz unterhalb der Burgener Platten an. Ich will trotz der widrigen Umstände versuchen, den Weg in Bergstiefeln frei zu gehen, was in Anwesenheit der fetten Schiffstaue, die fast den gesamten Anstieg säumen, irgendwie absurd wirkt.

Die Kletterei und natürlich auch die Tief- & Ausblicke ringsum sind einfach nur phantastisch!

In den Burgener Platten.
Thomas und Robert in der kleingriffigen Platte
Hier in der Schuppen-Querung.
Am Standplatz nach der 4. SL. Die ersten 2-3m über Thomas stellen die Crux da. Der Rest im unteren Teil vom Bild ist deutlich einfacher.

Meine strenge Kletterethik halte ich an den Burgener Platten (V+) noch genussvoll ein, bis ich am Ende der 4. SL mit kältetauben Fingern unter einer senkrechten Verschneidung ohne größere Kletterstrukturen steh. Ich versuche noch einmal durchzuziehen, werfe dann aber alle Vorsätze über Bord und find die Stelle selbst genullt anstrengend. Meiner Meinung nach die Crux am Dent. Auch im Nachhinein betrachtet hat das mit V+ (so wie angegeben) nicht allzu viel zu tun. Im Alex Buisse – Mont-Blanc-Führer mit 5c (=glatt VI) angegeben. Kommt denke ich auch hin. Mit Kletterschuhen bei angenehmen Temperaturen, ohne Sturm im Nacken, sicher ohne Probleme frei zu begehen, aber heute lieber mit Schiffstau. 😉

Schmälert aber nur für einen ganz kurzen Moment das Gesamtvergnügen. Zu spektakulär ist die Szenerie hier oben am immer schlanker werdenden Zahn.

Robert reitet den Vorgipfel.

Das nächste Highlight ist die Traverse vom luftigen Vorgipfel zum Hauptgipfel. Exponierter kannst du nicht unterwegs sein! Das denken sich auch die Blitze, hier am größten Blitzableiter der Alpen.

Die Einschläge sieht man an Standplatz-Bohrhaken (Kettenglieder sind durch den Hitzeeintrag tw. miteinander verschmolzen) und am verbrutzelten Haupt der Madonna am Gipfel. Zum Trost geb ich ihr gleich einen Zirben-Schnaps aus.

Wir feiern kurz das Leben und machen uns danach gleich ans Abseilen. Bisher noch staufrei unterwegs, was eher selten vorkommt am Dent, reihen wir uns jetzt hinter 2 etwas überfordert wirkenden Rumänen (?) ein. Erst wollen sie an einer Gammelschlinge (!), anstatt am Bohrhakenabseilstand 1m daneben abseilen. Dann wird das kreuz und quer verhedderte Seil falsch in den Tuber eingelegt bzw. ein Abseilkonstrukt improvisiert, welches jedem erfahrenen Bergkammeraden das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Dazu wird zur Entspannung oder zum Überspielen der Todesangst (?) Cypress Hill am Handy aufgedreht und lässig „relaaaax“ propagiert. Na dann. Ich hab auf diesen haarsträubenden Quatsch keine Lust und seile die vollen 50m an den 2 Hallodris vorbei ab. So schnell werd ich die beiden aber dann nicht los. Anstatt versetzt zueinander weiter abzuseilen (es gäbe genügend Standplätze) gehen die orientierungslosen Typen nun doch auf Nummer sicher und wollen sich zu mir kuscheln. Seine Selbstsicherung will der Erste dann auch gleich in meinen Karabiner einhängen, während Cypress Hill im Hintergrund weiter fette Rhymes rappt. Nach ein paar Anweisungen ist nun aber endgültig Schluss mit dem Kasperlestheater und wir Drei sind zwei lange Abseiler später am Wandfuß – bevor wir insane in the brain werden.

Der Abstieg ist schneefrei und mittlerweile aufgetaut nun nicht so richtig genießbar, aber im Vergleich zum Ostgrat an der Aiguille Noire eine geteerte Autobahn.

Vor der Turiner Hütte taucht man nach einem langen Gletscherhatsch durch den Glutofen abrupt in die Zivilisation der Gondeltouristen ein. Da trifft man Leute, die zum ersten mal Schnee berühren. Oder auch Menschen, die eine 30cm-tiefe Stufe im angelegten Wanderweg zur Umkehr zwingt. Sachen gibt’s!

Steckbrief Aiguille de Rochefort, Rochefort-Grat:

  • Schwierigkeit: AD (III, max. 50°)
  • Absicherung: bei Bedarf Schlingen + kleines Sortiment Cams
  • Hoch / runter: 700hm ab Helbronner
  • Übernachtung: Turiner Hütte (3375m) oder Biwak

Steckbrief Dent du Géant, Südwestwand (Voie Normale):

  • Schwierigkeit: AD+ (VI, IV A0)
  • Absicherung: Stände + Fixseilverankerungen gebohrt, dazw. NH, Grundsortiment Cams, Schlingen
  • Hoch / runter: 700hm ab Helbronner
  • Übernachtung: Turiner Hütte (3375m) oder Biwak

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