Touren in der Schweiz

Obergabelhorn (4063m), Arbengrat

05.07.2022 – 06.07.2022

Auftakt zum Zermatter Paradegrattouren-4000er-Double

Hitze-Bergsommer 2022: Während in den Hochalpen alle begehrten Firn- und Eisrouten im Sterben liegen, frohlocken die Alpinkletterer. Weil wir nach Rochefortgrat + Dent du Géant trotzdem Bock auf dünne Luft haben, fällt unsere Wahl auf exponierte Grattouren im Fels. Perfekt ins Beuteschema passen da der Arbengrat und der Rothorngrat – aufgrund der, für Wallis-Verhältnisse außergewöhnlich guten Felsqualität, hochgelobte Himmelsleiter-Führen auf prominente Gipfel. Wer sich zwischen den beiden nicht entscheiden kann, der sollte, wie wir, einfach beide in Reihe schalten. Beim Blick auf die Karte macht das sogar Sinn. Endpunkt der einen Tour (Rothornhütte) ist gleichzeitig der Startpunkt für die Zweite.

Also tuckern wir von Chamonix rüber nach Visp, hocken uns in den Zug, rollen nach Zermatt, sind dort von den Rollex-Gucci-Versace-„Berg“-Touristen etwas angewidert, gönnen uns aufgrund der fortgeschrittenen Zeit die Furi-Gondel, freuen uns über die wilde, ursprüngliche, landschaftlich einzigartige Kulisse des Zmutt-Tales, starren ständig ehrfürchtig in die Matterhorn-Nordwand und kommen zur Abendessenszeit im gut gefüllten Bilderbuch-Biwak an.

Achtung! Matterhorn-Spam:

Im Aufstieg über die Moräne, mit Blick in die Obergabelhorn-Südwand. Links im Profil: Der Arbengrat
Der gut markierte Klettersteig – oben sieht man schon das Gemäuer vom Arbenbiwak

Bis auf eine in Chamonix lebende, gemischte, walisische Seilschaft (Südwand), peilen alle restlichen 10 Bergsteiger für den nächsten Morgen auf den Arbengrat.

Um 4:30 Uhr latschen wir los.:

Am liebsten würde man rückwärts laufen, weil man den Blick nicht vom Matterhorn lösen kann.

Über eine offensichtliche, bereits im Zustieg gut sichtbare, rampenartige Schwachstelle (max. II+) links der Südwand wird der Südwestgrat (Arbengrat) erreicht.

Dort gehen wir ans laufende Seil und versuchen die im Zustieg verbummelte Zeit wieder aufzuholen. Der frische Wind, kalte Finger und die tolle Kletterei an bestem Gneis aus Afrika, lassen uns umso schneller dahinkraxeln. An den wenigen, oft mit Schlingen eingerichteten Standplätzen, die wir beziehen, wird kurz innegehalten, um den umwerfenden Rundumblick aufzusaugen. Ab und zu eine Zwischensicherung legend kommen wir gut voran.

Im unteren Teil des Grates, mit Blick auf den mächtigen Dent Blanche

Man könnte noch ewig so weitermachen, aber viel zu früh ist der Grat plötzlich zu Ende. Um 8:30 Uhr stehen wir auf dem Obergabelhorn. Nie schwierig – immer aussichtsreich und genussvoll war die Kletterei.

Die Tour ist hier oben allerdings noch lange nicht zu Ende. Der Abstieg über den nicht anspruchslosen Normalweg nimmt annähernd die gleiche Zeit in Anspruch, wie der Aufstieg selbst.

Exponiert überwinden wir abseilend das, nicht immer zu 100 % vertrauenserweckende, firndurchsetzte Gestein am Nordostgrat. Felsige Südwand auf der rechten, eisige Nordwand zur linken Seite. Dort, an deren äußersten Begrenzung, steigen wir die letzten Meter zum Sattel rückwärts kletternd ab. Der anfangs noch felsige Grat geht im unteren Teil in Steilfirn über.

Die beeindruckende Obergabelhorn-Nordwand
Der Weiterweg im Abstieg: Entlang der Wechten, über den felsigen Gendarm, hoch auf die vergletscherte Wellenkuppe und rechts im Profil runter. Über allem thront oben links das Zinalrothorn mit dem markanten Rothorngrat (Licht-Schatten-Grenze) – unser Ziel für morgen!
Die Nordwand in voller Größe
Blick von der Wellenkuppe rüber zum Zinalrothorn. Die Route für morgen ist hier gut zu erkennen
Dufourspitze und Nordend oben links

Bis zum Gegenanstieg hoch auf die Wellenkuppe ist äußerste Vorsicht geboten. Auf dem Weg dorthin muss in netter Kletterei ein großer Gendarm überklettert werden, welcher in früheren Tagen noch im Firn umgangen werden konnte.

Auch die Kraxelei unterhalb der Wellenkuppe ist anfangs noch recht ansprechend, geht dann aber im unteren Teil, in Richtung Triftgletscher, in Schrott der übleren Sorte über. Der Rest ist bloß ausrollen lassen über den Gletscher bis zur Rothornhütte, wo wir nach 9h ankommen.

Im ersten Moment ein schönes Gefühl, nach den Biwaks der letzten Tage wieder auf einer bewirteten Berghütte einzuchecken – bis man in der Gaststube Wechselkurs und Preise sieht und ein ums andere Mal in finanzielle Schockstarre verfällt. So eine Kartoffel für’s Rösti scheint mit Gold aufgewogen zu sein. Außerdem – rappen und anbraten muss die ja auch irgendwer. Macht dann 22 Franken oder 24€. Gut, dass wir morgen noch mehr 4000er Bergluft schnuppern werden – damit sich der Ruin auch lohnt. Willkommen in der Schweiz!

Steckbrief Obergabelhorn, Arbengrat:

  • Schwierigkeit: AD (IV, max. 50° im Abstieg)
  • Absicherung: Oft sind Standplätze vorhanden in mehr oder weniger gutem Zustand. Schlingen + kleines Sortiment Cams für dazwischen
  • Hoch / runter: 1400hm bis Biwak, 800hm bis Gipfel, 800hm Abstieg bis Rothornhütte
  • Übernachtung: Arbenbiwak (3200m)

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