Touren in Deutschland

Großes Grundübelhorn (2096 m), Südverschneidung 

28.05.2023 

Ein Pause-Weekend ohne zwei Pause Kracher ist kein wahres Pause-Weekend – so mussten wir das Ramsauer Duo komplettieren und nach absoluter Völlerei und einigen kühlen Hopfengetränken am Abend im 500m entfernten Hotelrestaurant am nächsten Morgen noch etwas früher starten. Die anstehende Tour war uns über die Tourenberichte von Daniel Mohler und Tobias Bailer schon einigermaßen bekannt und wir wussten, dass sie bisher jeder Aspirant etwas unterschätzt hatte. Die etlichen Bohrhaken wurden laut Florian Hübschenberger alle (zum Glück) wieder entfernt.  

So klingelte uns der Wecker um 5:00 Uhr aus dem Delirium und wir waren nach zwanghaftem Reindrücken von Müsli und Café um 6:00 Uhr startklar, um erneut mit dem Bike ca. 3km zum Einstieg des Steiges in Richtung Halsalm zu rollen. Dieser führte über eine Waldautobahn zu einem markanten Abzweig nach einer Rechtskurve auf 1.050m (mögliches Materialdepot), und fortan steil bergauf auf den Rücken des Teufelskopfes. Auf dem Weg passierten wir eine solarbetriebene Bartgeier-Beobachtungsstation, die die beiden frisch ausgesetzten Prachtexemplare wohl beim Herangedeihen filmen soll.

Mir wurde es deutlich zu warm und ich wählte die Variante „Boxershorts-Ascent“. Oben auf dem Tierberg auf 1.350m angekommen wurde es weglos und man musste die alpine Spürnase zum ersten Mal einsetzen. Es ging schier nie endend auf und ab über Schuttrinnen, heikel hinter Altschneefeldern vorbei kletternd und durch Latschendickichte hindurch immer mit Blick auf das eigentliche Ziel, die Südkante des Grundübelhorns.  

Dort angekommen bewaffneten wir uns mit unserer heute etwas umfangreicheren Schlosserei. Selbst Hammer und Haken legten wir an, aus Respekt vor der angegeben schlechten Absicherung der Tour. Es gab noch ein halbes Käsebrot und die letzte Salbung mit Sonnencreme, Stephan machte den Start.  

Zum Einstieg der Tour gibt es mehrere Varianten, die sich alle recht weitläufig verteilt im 4. Grad über den Vorbau des Horns schlängeln. Am ersten Stand findet man den wohl einzigen Bohrhaken der Tour (=1. Standplatz der klassischen Südkante), eine Wohltat, die man später zu vermissen weiß.

Bereits den zweiten Stand auf dem Vorbau bezog ich mit etwas mulmigem Bauchgefühl an drei Cams mittlerer Größe im Südtiroler Stil mit Kevlarschlinge, und der Hintern hing im Freien mit 100m Luft unter den Sohlen. Es sei angemerkt, dass dieser der erste meiner fünf später folgenden „Arschloch-Stände“ war (Anm. der Redaktion: bitte entschuldigt den Ausdruck, aber selbst gebastelte Hängestände sind einfach scheiße).

Stephan kam flott hinterher und ging auch gleich eine aalglatte Plattenstelle an, die mit dem 4. Grad absolut NICHTS zu tun hatte. Souverän in Halbseiltechnik den einen Schlaghaken geclippt schob er sich über die Platte und verschwand schnurstracks über einen Riss in Richtung eigentlichem Einstieg der Tour.

Man erreicht einen Balkon, über dem ein Wahnsinns Verschneidungssystem gen Himmel zieht.

Dort angekommen war ausgemacht, dass ich beginne, da ich so in überschlagener Kletterei die Schlüssellänge bekomme (und alle Arschloch-Stände dieser Tour). 

1.SL: So hart kann eine alpine 5+ sein! Über brüchig-erdige und teils schleimige Griffe zog es mich in einen Körperriss hinein, in dem ich mit meinem Rucksack beim Einatmen schön stecken blieb. Der C#4 Cam war schon drei Meter unter mir, aber fallen konnte man in der Situation eh nicht. Dann teilte sich der Riss auf und nach rechts zog eine große, etwas hohl klingende Schuppe herauf. Ich entschied mich für den Seitenwechsel und kletterte die nächsten Meter gespreizt zwischen schleimigem Riss und hohler Schuppe – welch Vergnügen. Noch alle paar Meter ein fragwürdiger Cam und schon kam ich am ersten Stand an. Was für ein Auftakt! Stephan kommt fotogen hinterher und für ihn war es eine „coole Länge“. 

2.SL: Es folgte ein immer breiter werdender Kamin, in dem oben wohl jemand den Wasserhahn offengelassen hatte. Die Platte links davon sieht grandios aus, wahrscheinlich könnte man hier einen erstklassigen 8er definieren, dann eben ohne Absicherung. So entschied sich Stephan nach einigem Überlegen und Mosern zum Abklettern und hievte sich in den Kamin rein, leicht motzige Stimmung kam auf aufgrund des erhöhten Schleimlevels der den Kamin bildenden Wände. Am Stand lehnte er mit dem Rücken am feuchten Grünspan, zum Leid der Klamotten und der Lust und Laune für langes Warten auf mich in der nächsten Seillänge.  

3.SL: Diese hatte bereits für uns durch ihre Internet-Beschreibungen einen gewissen Nimbus. Ich kletterte um die Kante herum und dann auf abschüssigen runden Tritten zu den drei geschlagenen Haken, die ich irgendwie, ohne zu fallen, alle clippen konnte. Nach einigem Hin und Her ging ich unten lang, um mir eine Freikletterbegehung zu holen. Die Boulderstelle hatte mal wieder mit dem angegebenen Grad 6+ nichts zu tun, aber ich schaffte es onsight durch eine recht tiefe Variante zu dem rettenden Henkel, der mit Gras zugewachsen war. Bald wurde der Seilzug so krass, dass ich Stand beziehen musste, mal wieder komplett selbst gebaut an kleinen Friends und – logo – freihängend und ungemütlich. Stephan kam nach, machte kurzen Prozess und zog an der langen Gammelschlinge, welche an den Schlaghaken herunterhing, da abbauen und freiklettern nicht wirklich miteinander harmonierten.  

4.SL: Stephan war nun mit einer großartigen 6+ Risslänge dran, die sich recht gut absichern ließ und die er souverän meisterte. Diese führte in eine kleine Gufel und einen gemütlichen Stand direkt unter der Schlüsselseillänge.  

5.SL: Nun kam das Testpiece der Tour, ein mit 8- frei bewerteter Überhang und danach die mit zwei Stichtbohrhaken der Erstbegeher hinterlassene 7er Platte. Den Überhang entschlüsselte ich im zweiten Versuch rotpunkt, es ging recht flüssig über einen coolen Bouldermove zu dem rettenden Riss in leichteres Gelände. Doch dann kam für mich das große Fragezeichen, die sagenumwobene Platte. Man sah nahezu nichts an Griffen, sie war sausteil und die Position der Bohrhaken war gänzlich ungeeignet für Freikletterambitionen. Ich versuchte es rechtsrum, weil ich so zumindest die Haken einhängen konnte, dort oben kam jedoch leider eine Sackgasse. Alles wieder runter, dann untenrum 2-3 Anläufe gestartet, aber irgendwie fehlte mir der rettende Griff, um mich auf diesen fiesen kleinen Tritten rüberzuschieben. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, wählte ich die Variante „french-free“ bzw. 1 p.a. (pointe d’aide) und zog mich an der oberen der beiden Exen zum Henkel. Immer noch schwer ging es über ein Hangelband trittlos zum nächsten Stand – wie gehabt selbst gebaut an Cams und frei hängend, mit mittlerweile 200m Luft unter den Sohlen. Stephan kam hinterher, ich feuerte ihn mit grandioser Aussicht in der Platte an, er kam auch einen Zug weiter als ich, ich dachte schon es funktioniert aber zum rettenden Henkel fehlte immer noch was. Wenn 8er Kletterer in 7ern versagen… dann passiert das meist am Grundübelhorn.  

6.SL: Über einen Doppelriss und sehr schöne Wasserrillen wie im Rätikon ging es im oberen 4. Grad zu dem Beginn einer großen Verschneidung. Hier sind die Hauptschwierigkeiten zwar vorbei, aber die Tour noch lange nicht.  

7.SL: Etwas schrottig und brüchig ging es für mich in die Verschneidung rein, bis sich diese in einem riesigen Ypsilon aufteilt. Wir mussten rechts lang, aber ich bezog aufgrund von Materialmangel und Seilzug Stand – der nächste ungemütliche Hängestand. Wobei dieser bestand aus zwei Schlaghaken und einer Köpfelschlinge. 

8.SL: Stephan startete in das rechte Ypsilon und rampfte sich den 5- Riss hoch, dieser kletterte sich ganz schön, war aber auch deutlich schwerer als die Bewertung es vermuten lässt.  

9.SL: Ich wählte im Anschluss nicht die Variante Kamin, sondern links daran vorbei in einfachem Gelände. Auf den Metern kam mal ein wenig Flow auf, weil das Gelände schön und die Kletterei einfach war. Und man staune – mein erster gemütlicher Stand seit Beginn der Tour. Endlich mal Schuhe aus, hinsetzen und entspannen. 

10.SL: Stephan führte die folgende 5+ Seillänge, die über ein klasse Risssystem und plattiges Gelände in eine Verschneidung zog. Der Blick nach unten ging 500m in den Talgrund der Schuttrinne, die den ganzen Tag Bewegung zeigte und weit unter uns Steine abschmiss. Der (Tief-)Blick am vorletzten Stand auf den Hintersee war wunderschön. 

11.SL: Die letzte Länge ging noch mal anfänglich schwierig durch einen Körperriss, der für 4 sehr hart bewertet war. Danach folgte leichte alpine Rennerei bis zum Ausstieg der Tour auf dem Südpfeiler. Dort angekommen sicherte ich Stephan an einer Köpfelschlinge nach.  

Wir aßen den zweiten Teil unserer Käsebrote, ich killte meine Wasservorräte (1 Liter = deutlich zu wenig) und noch ein Snickers hinterher. Endlich aus den Kletterschuhen raus und in die gemütlichen Zustiegsschuhe rein. Jedoch waren wir noch lange nicht am Gipfel, noch lange nicht am Ende der Tour. Zum Gipfel geht es in einfacher Kletterei (max. 3. Grad) über teils brüchiges Gelände und recht ausgesetzt immer leicht rechtshaltend.

Wir erreichten diesen 25 min später um 17:00 Uhr. Nach schnellem Gipfelbucheintrag- und Selfie und freudigem Entdecken vieler bekannter Namen im Büchlein und der wenigen Begehungen unserer Tour gingen wir den Abstieg an.  

Dieser fing noch harmlos an, wurde dann aber steiler, führte über 50° Schneefelder zu einem Köpfel-Abseiler, über brüchige, heikel ausgesetzte Kletterei immer rechtshaltend zu einem finalen Abseiler der uns herabbrachte auf das Firnfeld – in Sicherheit und in Richtung Wagendrischlkar.

Bis dorthin waren wir 1,5 Stunden unterwegs, hoch konzentriert und dehydriert, zwei Zustände, die nicht besonders gut harmonieren. Mich plagten deshalb auch heftige Kopfschmerzen, die noch bis zum ersten Hopfengetränk anhielten. Nach dem Firnfeld hielten wir uns rechts neben dem Latschenwald und fanden alsbald den Teufelssteig auf. Dieser war super angelegt und führte uns sicher und schnell auf den Böslsteig und zu unserem Materialdepot. Dort rettete mir Stephan noch den Allerwertesten mit einen Schluck Wasser aus seinen Vorräten. Nach dem Abstieg über die Waldautobahn erreichten wir unsere Bikes und rollten mit guter Laune zurück zum Van und anschließend nach Vorbestellung in unser Lieblings-Hotelrestaurant. Dort gab es Schniposa und weitere Köstlichkeiten. 14 Stunden unterwegs – was für ein Abenteuer!  

Steckbrief Großes Grundübelhorn, Südverschneidung: 

  • Schwierigkeit: VIII-, VI+ A1, E4  
  • Absicherung: Stände selbst basteln, teilweise NH an den Ständen, dazwischen einige NH, Hammer und Haken empfehlenswert. 1 BH im Vorbau vorhanden.  
  • Gear: Mäßige Absicherungsmöglichkeiten mit einem vollen Satz TOTEM Cams 0.5 – 1.8 + Black Diamond Cam 0.4 – 2, ein Satz Keile, 10 Exen (davon 4x lang). 4x 120cm Schlinge, 5m Kevlar Schnur zum Stände ausbessern. 60m Halbseile. 
  • Hoch / runter: Zustieg Hintersee – Einstieg ca. 900hm. 14SL Kletterei auf ca. 400m, 30min. leichte Kletterei bis Gipfel 

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