21.02.2023
Klettern im Skiurlaub
Snowboarden in Südtirol macht zwar irre viel Spaß, aber wenn man zwischen Sellastock und Langkofel die ganze Zeit an diesen Felswänden- und Türmen vorbeifährt und an deren Südseite bereits der Sommer ausgebrochen ist, dann hält man das Jucken der Finger nicht mehr aus. Außerdem tut Abwechslung bekanntlich gut – deshalb war für Manu und mich klar: wir tauschen das Board gegen das Seil.
Eine entspannte Route war schnell gefunden, auch wenn man im Grödnertal ja wirklich die Qual der Wahl hat. Von unserer Unterkunft in La Poza aus latschen wir entspannt rüber zum Eingang ins Langental. Auf der Suche nach einem Frühstück finden wir zunächst bloß geschlossene Cafes und eine handzahme Bachforelle, dachten aber eher an einen Cappuccino mit Schinkenbrötchen. Fündig werden wir an der Talstation des Sessellifts Val, wo damals unter tragischen Umständen Klettergroßmeister Emilio Comici ausgerechnet im Anfänger-Klettergarten beim Abseilen abgerauscht ist.
Mit reichlich Kalorien im Magen geht’s in wenigen Minuten zum Einstieg am breiten Felsriegel des Monte Steviola. Die Sonne knallt an diesem späten Morgen dermaßen in die Wand rein, dass wir uns die Klamotten vom Leib reißen müssen. Die Route schlängelt sich entlang der guten Felspassagen erst mehr oder weniger geradeaus hoch bis unter das sperrende Dach unterhalb des Gamsbandes und umgeht dieses Hindernis über einen spektakulär ausgesetzten Rechtsquergang.
Der Fels ist, wie eigentlich meistens im Frühjahr an den weniger steilen Passagen etwas sandig, dafür aber kompakt und gut abgesichert. Über die fünf Seillängen lege ich vielleicht 3-4 zusätzliche Friends. Das Ambiente ist doch sehr speziell an diesem Tag. Um uns herum Sommer-Sonne satt, hinter uns winterliche Nordhänge und Skibetrieb – einfach phantastisch!
In drei entspannten Seillängen mit vielen kantigen Griffen und dolotypischen Löchern bis max. V gelangen wir unter die Dachzone. Auch hier, wie eigentlich den gesamten Felsriegel entlang, ziehen Bohrhaken-Routen, wie im Klettergarten, Reihe an Reihe die Wand hinauf. Einige davon schauen sehr verlockend aus. Leider finden sich keine Infos im Netz, daher bleiben wir bei unserem ursprünglichen Plan – auch weil der Quergang, der nun ansteht einfach geklettert werden will.
Erstaunlich leicht lässt es sich rüber spazieren mit reichlich Luft unter den Füßen und dem spektakulären Langental in Blickrichtung – ganz tolle, fotogene Passage!
Das Gestein ist hier etwas anders und erinnert fast an den gelben Fels auf der Schwäbischen Alb.
Eigentlich zieht die Route nun entlang markanter Risse weiter hoch und in einer letzten schrofigen Seillänge nach links aufs Gamsband.
Ich schau mir die Sache an und finde den steilen Fels rechts davon aber viel interessanter. Dort kommt eine andere Route von unten hoch. Ich wechsle spontan rüber. Die Exen sind mir zwar ausgegangen, dafür hab ich noch ein paar Karabiner als Ersatz. Die Entscheidung macht sich anfangs bezahlt: schöner Fels und dann am Ende doch noch steile Kletterei bis vielleicht max. VI-. Die Route endet abrupt an einem Abseilring unterhalb eines stacheligen Busches. Dort seilt man wohl normalerweise einfach wieder 2-3 mal mit seinen 60m-Doppelseilen ab zum Wandfuß. Kommt mit unserem 50m-Einfachseil aber nicht in Frage. Also ab aufs Gamsband. Geht aber nicht ohne Stachelbusch. Deshalb lange ich beherzt rein ins Gehölz. Meine Arme schaun danach aus, wie bei einer Masern-Erkrankung. Aber wenn das Gras senkrecht wächst freut man sich eben über alles was man greifen kann. Nach dem Rädler-Grat im Allgäu eh alles bloß Routine.
Jetzt hab ich brutalen Seilzug. Am oberen Wandfuß angekommen such ich kurz nach irgendwas, das nach Standplatz aussieht, weil die 50m auch irgendwann zu Ende gehen. Und siehe da – ein einbetonierter Riesen-Sauschwanz. Top – sonst hätte ich was basteln müssen.
Mit Manu kann ich von hier aus nicht mehr kommunizieren. Macht aber nix – 4G hilft aus. Kurz hinundher-gewhatsapped und schon hängt auch Manu 15min später im Dornenbusch und fragt sich, was der Mist jetzt soll. Macht aber trotzdem Spaß und für die tollen Abschluss-Klettermeter hat sichs gelohnt, wie wir finden.
Der Ausblick vom Gamsband hier oben ist wunderbar. Wir feiern den Tag mit dem nächsten Schinkenbrötchen und hätten uns am liebsten gleich noch ein paar Bier reingestellt, haben aber blöderweise keins dabei.
Die trockenen Kehlen treiben uns deshalb bald entlang des Gamsbandes, unterhalb der auch hier mit Routen gespickten oberen Riesenwand, an der Burgruine vorbei, zurück zum Ausgangspunkt.
Von der urigen Bistrohütte aus lassen wir uns von der Sonne noch eine ganze Weile verbrutzeln, betrachten unser Tageswerk und sorgen für einen angemessenen Flüssigkeitshaushalt 😉
Steckbrief Monte Steviola, Adami / Bernardi (Variante in SL5):
- Schwierigkeit: VI- (letzte SL), ansonsten max. V
- Absicherung: gute Absicherung mit BH
- Hoch / runter: 5-6 (je nachdem) SL auf 170m