07.08.2021
Einer DER Klassiker im Wilden Kaiser
Was hier aussieht wie der kleinste Puff von Österreich ist in Wirklichkeit mein Caddy, oben auf dem Parkplatz unterhalb der abgefackelten Griesneralm, kurz vorm schlafen gehen. Am nächsten morgen sieht die Welt schon anders aus: Porno sind hier nur die irren Felsabbrüche der Nordseite des Wilden Kaisers.
Mit dem ersten Tageslicht stapfen Freddi und ich hoch zur steinernen Rinne.
Verrückte Linie von unten betrachtet – dieser erste Weg durch die Fleischbank Ostwand. Eines der Meisterstücke von Hans Dülfer. Wenn man sie aber klettert ist der Verlauf absolut logisch, denn er folgt den Schwachstellen des 400m-Gemäuers. Schwach sollte man selbst allerdings nicht sein, wenn man in die bekannteste Wand des Kaisers einsteigt – es warten knackige 6er-Stellen in Verschneidungen, kleinen Überhängen, ausgesetzten Quergängen und zum Abschluss, wie so oft in diesem Gebirge, die gefürchteten Kaiser-Kamine, in denen oft und gern geflucht werden darf, ob der seltsamen Kletterei, mit der man sich hochschindet. Nicht zuletzt zählt diese Tour zum festen Bestandteil der „Pause – im extremen Fels“- Alpinkletter-Bibel.
Am Einstieg angekommen pfeift ein kühler Wind durch die steinerne Rinne. Eingekeilt zwischen himmelhohen Wänden drücken Predigtstuhl und Fleischbank hier unten ordentlich aufs Selbstbewusstsein. Für Freddi ist es die erste Pause-Tour und die erste alpin abgesicherte Mehrseillängentour in diesem Grad und dieser Dimension. Bestes Mittel gegen Zweifel und Kälte: einfach Loslegen!
Was hier nach Blumenwiese ausschaut ist tatsächlich sau steil. Freddi hat im Bild den Ausstiegshenkel oberhalb des kleinen Überhangs in der Hand. Um an diesen Griff zu kommen gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder man ist in der Lage den speckigsten Aufleger der Kalkalpen zwischen zu halten, oder man nullt sich am Haken direkt daneben über diese Stelle, die vermutlich bereits kurz nach der Erstbegehung die beste Zeit hinter sich hatte. Ich versuche mich an Variante 1, lache kurz laut und ziehe am Haken. Haben laut diverser Foren auch schon deutlich stärkere Kletterer als ich es bin so gehandhabt. Rotpunktfetischisten sei daher geraten sich an die alpine Umgehungsvariante links davon zu halten 😉
Die folgenden Seillängen #7&8 sind zum Verschnaufen und Genießen(4, 4+) bevor es in die nächste, spektakuläre 40m-Linksquerung (Dülferstraße) geht.
Die letzte Seillänge (#14) bietet danach für den 6ten Grad nochmal richtig anspruchsvolle Kletterei an runden, abweisenden, mindestens senkrechten Strukturen. Wer sich schonmal von einem Kaiser-Kamin hat verschlucken lassen, der weiß – mit Rucksack klettern – ganz schlechte Idee. Vor allem wenn einen die Ehre packt und man die Seillänge unbedingt frei klettern will. Deshalb beschließe ich den Rucksack nach zu ziehen. Anfangs kann man in den offenen Kamin noch Beine und Arme rein stopfen, teilweise mit dem Rücken auf Reibung gehen. Nach oben hin zieht sich das Biest aber zusammen, so dass man gezwungen ist, an kleinen Griffen über den abdrängenden Bauch nach links auszuweichen. Härteste Stelle der ganzen Tour – wie wir fanden. Danach (Bild unten) kann man bald links rausspreizen und kommt in leichteres Gelände.
Die Führe endet hier, allerdings ist man noch nicht auf dem Gipfel. Geradeaus hoch in die Scharte am Nordgrat – von hier in einfachem Klettergelände (2-3) ca. 100m mehr oder weniger über den Grat, mit schönen Tiefblicken auf den Fleischbank-Gipfel. Das Seil packen wir für diesen letzten Abschnitt in den Rucksack:
Wie so oft bei den Pausetouren ist am Gipfel noch lange nicht Schluss. Nach Schnaps und Schnack mit anderen Kletterern, die allesamt über verschiedenste Routen aufgestiegen waren, packen wir den Abstieg an. Gehgelände, Abkletter- und Abseilpassagen wechseln sich ab. Der Weg ist teilweise markiert, birgt aber das Potential sich ordentlich verkoffern zu können. Deshalb und auch weil der Fels nicht überall hält was er verspricht ist Vorsicht geboten. Wir haben’s allerdings leicht und tun uns mit den beiden ortskundigen Kletterern vom Gipfel zusammen – was auch die Abseilerei am Ende zurück in die steinerne Rinne für alle deutlich beschleunigt. Hier ist extrem auf Steinschlag zu achten. Die 60m-Doppelseile reichen gerade eben bis unterhalb der Wand. Von hier sind nochmal ca. 30m abzuklettern in köstlichem Bruch. Lose Steine unten, fliegende Steine oben. Mit ein wenig Vor- und Rücksicht aber alles kein Problem – so dass wir es nach einem langen, traumhaften Klettertag pünktlich vor dem, wie aus dem Nichts, heranbrausenden Unwetter noch zum Biersaufen zurück zum Caddy schaffen, während hinter uns die Welt untergeht (angeblich sind sogar Bäume umgefallen). Hoffentlich haben es noch alle Kameraden aus den Wänden geschafft!
Steckbrief Fleischbank, Ostwand (Dülfer)
- Schwierigkeit: VI (V obl.)
- Absicherung: Stände gebohrt, dazwischen an heiklen Stellen einzelne Bohrhaken + einige NH
- Hoch / runter: ca. 800hm Zustieg, 14 SL auf 450m
- Übernachtungsmöglichkeit: „Campingplatz“ Griesneralm oder Stripsenjochhaus (Saisonschluss beachten)