12.06.2020
Auf der Jagd nach Pause-Touren
Eigentlich hätten es ja die Dolomiten werden sollen für 5-6 Tage. Klassiker im Pala standen auf der Liste, aber das Wetter zeigte uns schon früh im Forecast den dicken Stinkefinger.
A Propos Finger – unklar war außer dem Wetter noch die Belastbarkeit meines unmittelbar vor dem Covidwahnsinn beim Bouldern zerlegten Ringfingers. So kam es, dass Simon und ich notgedrungen anstelle von Agner-Nordkante und Co. erst einmal im verregneten Pfälzerwald zwei Tage lang Schweinemägen fraßen und immerhin die ein oder andere ansprechende Sportklettertour inklusive Güllich-Platte ziehen konnten. Fingertest bestanden. Bissl was gab die Grundkondi auch noch her.
Zumindest für’s WE hatte der Wettergott dann Erbarmen mit uns und öffnete ein 2-tägiges Schönwetterfenster im Tiroler Kalkalpenraum. Also das ganze Glumpert wieder reingeschmissen in den Caddy und ab auf die Südseite des Wilden Kaisers. Dort warten die zwei kürzesten Touren der Walter-Pause-Extremfels-Sammelliste und stehen sich tatsächlich sogar direkt gegenüber.
Schon im Zustieg am nächsten Morgen wollten wir nicht so richtig in die Gänge kommen.
Die Pfälzer Schlachtplatten und evtl. auch das ganze Bier lagen wie Backsteine im Magen. Da kam ein steiles Firnfeld inkl. beschissener Randkluft und noch beschissenerer Zustiegsschuhekletterei durch die kleine Schlucht hoch zum Einstiegs-Schrofenband zum Wachwerden gerade recht.
In der 1. SL hat man dann ca. 2m Zeit um aufzuwachen – denn es wartet gleich zu Beginn eine VI+ Passage. Wer mal im Kaiser war weiß, dass dieser Schwierigkeitsgrad alles bedeuten kann.
Simon juckt das reichlich wenig…den Pfälzer-Teller kurz abgeschüttelt und hoch die Seillänge. Ich freu mich im Nachstieg, dass mein Finger mir keine gröberen Probleme bereitet und wir entscheiden uns daher den Rest der Tour überschlagend zu klettern.
In den Seillängen 2 und 3 warten nochmal durchaus knackige VIer Stellen in steiler Riss-/ Verschneidungskletterei an nur stellenweise etwas abgegriffenem, aber ansonsten bestem Kaiserkalk.
Abwechslung dann in SL 4: Erst hinauf, dann nach rechts rüberhangeln – auf Seilreibung achten und in die gutgriffige Rissverschneidung zum gemütlichen Stand.
Nun folgt die Cruxlänge, welche sich allerdings nur über einen einzigen Zug definiert. Zunächst etwas nach links abklettern und danach waagerecht weiter zur offensichtlichen Plattenquerung inkl. neuem Bohrhaken. Simon findet eine freie Variante im steileren Gelände unterhalb der Platte – ich ziehe die Platten vor – löst sich aufgrund der bombastischen Reibung mit einem Längenzug super auf.
Danach geht es in leichterem Gelände (je nach Gusto 2 SL verbinden oder am laufenden Seil) in den finalen Kaiserkamin, der natürlich nicht fehlen darf.
Einziger Wehrmutstropfen der schönen Tour: Man steigt nicht am Gipfel aus, sondern auf einem vorgelagerten Turm. Hat allerdings den Vorteil, dass man gefühlt über dem Ellmauer Tal schwebt. Der Ausblick ist sensationell. Als Highlight kann man dann sogar noch auf einen steilen Felszacken kraxeln.
Abgeseilt wird durch den mordor-ähnlichen Mateja-Kamin. Achtung beim Seilabziehen. Es besteht Hänger- und Steinschlaggefahr. Wieder am Schrofenband angekommen seilen wir entspannt über eine der harten Routen am Vorbau ab.
Kurzer Blick rüber zum gegenüberliegenden Bauernpredigtstuhl: Die Brühe läuft! Macht uns aber überhaupt nix aus, denn bei uns läuft die Brühe auch…affenheißer Tag heute! Also lieber runter in die übertrieben pornöse Wochenbrunneralm Helle stemmen. Morgen ist ja auch noch ein Tag – dann aber im Karwendel – in der Riesenverschneidung des Kleinen Lafatschers! 🙂
Berg heil !
Steckbrief Vordere Karlspitze, Alte Ostwand (Göttner)
- Schwierigkeit: VII- (VI- A0) im Quergang, ansonsten oftmals V bis VI
- Absicherung: Stände alle saniert, Bohrhaken an Schlüsselpassagen vorhanden, dazwischen einige rostige Zeitzeugen
- Hoch / runter: Zustieg ca. 800HM ab Wochenbrunneralm, 275m Kletterei (9SL)
- Übernachtungsmöglichkeit: Wochenbrunneralm (-Parkplatz)