Touren in Österreich

Säuling (2047m), Guat g‘flickt in Reutte

17.06.2025

Längster Anstieg auf den Aussichtsgipfel hoch über dem Schloss Neuschwanstein

Etwas gesucht ist die Route ja schon. Auch ist der Fels in einigen Seillängen schrofiger und grüner als man es sich wünschen würde. Dennoch hat es Erschließer Pat Schwarzmann geschafft, dem stufig-durchwachsenen Säuling-Vorbau eine, vor allem landschaftlich, sehr ansprechende Linie abzugewinnen. Gekonnt werden dem Gelände in 12 SL die besten Klettermeter abgewonnen, um in weiteren 4 SL (sanierte Route „Im Westen nichts Neues“) den Tag mit einem krönenden Finale durch die, wie hin betonierte Headwall des Berges abzuschließen. Bei plaisirigster Absicherung reichen 14 Exen am Gurt, damit man sich auch voll auf die grandiose Umgebung konzentrieren kann. Und wo gibt es für gerade einmal zwei Stunden Anfahrt ab Stuttgart schon 16 Seillängen?

Wolkenumwaberte Headwall im Zustieg
Knapp unterm Einstieg.
  • 1.SL (6-): Nach entspannten 800 Höhenmetern Zustieg durch dichten Bergwald geht es unterhalb der imposanten Westwand des kleinen Säulings gleich mal fotogen los. Zum wach werden auch nicht all zu einfach mit einer plattigen Rechtsquerung in gutem, vermutlich mühsam ausgeputztem, Fels. 
  • 2.SL (5-): Vom Stand weg noch schön über eine steile Kante rein in die Schrofen.
  • 3.SL (4) &
  • 4.SL (3): Ab hier lautet die Devise linksquerend irgendwie dem Grünzeug entkommen und den Sahne-Riss in Seillänge 10 treffen 😉.
  • 5.SL (5+): „Steile Henkelei“ steht im Topo – und so ist es auch. Sehr schön zu klettern. Seillänge 4 & 5 haben wir kombiniert. Geht gut, wenn man den Standplatz am Ende von SL4 auslässt und ordentlich die Exen verlängert.
  • 6.SL (3+) &
  • 7.SL (5-): Nix wie durch. Haben wir auch wieder kombiniert. Bleiben nicht wirklich im Gedächtnis, weil etwas botanisch und in SL7 auch ausnahmsweise leicht bröselig. Dafür könnte man sich von hier aus, wie eigentlich über die gesamte Route hinweg, im Säulinghaus unter den Füßen direkt ein paar Bier vorbestellen. Wenn es denn geöffnet hätte :‘-( 
  • 8.SL (4+) &
  • 9.SL (5-): Gut kombinierbar. Und nun kommt die Entlohnung in der…
  • 10.SL (6+): Einziger Minuspunkt dieser Seillänge – sie ist zu kurz. Ein wie fürs Klettern gemachter Riss zieht sich durch den Grund einer seichten Verschneidung und zwingt einen zum Zupacken und Gegendruckhangeln aka Piazen. Am Ende der großen Schuppe freut man sich über den rettenden Henkel und ist direkt danach enttäuscht, dass nach bloß 15m bereits der Standplatz kommt. Fred steigt souverän vor, trotz ungewohntem Rucksackmehrgewicht.
Fred mit seinen Granitwaden im Kalk. Beinahe hätte er die Verschneidung auseinander geschoben.
  • 11.SL (5+) &
  • 12.SL (5+): Es wird wieder fleißig aneinander gehängt. Gefühlt ziemlich leicht für den Grad gleitet man über einen kurzen Pfeiler und gut strukturierte Platten der furchteinflößenden Headwall entgegen. Die Route ist hier offiziell zu Ende. Man könnte linksquerend zum Normalweg entkommen. Wir aber haben noch nicht genug und sind gespannt, wie sich die riesige Plattenflucht über uns überwinden lässt. Neugierige Wanderer beobachten uns dabei.
  • 13.SL (6+, A0 oder eher A1) ist gleichzeitig die erste SL der Route „Im Westen nichts Neues“. Gibt es frei geklettert nicht unter dem 8. Grad. Aber auch da fragt man sich, wie das gehen soll. Fred ist wieder an der Reihe. An der ersten Cruxstelle hängt bereits eine vermutlich geopferte Trittschlinge. Danke an die Spender…weil ohne wird es heftig garstig. Auch mit Reintreten unten und zupacken oben schon anstrengend genug, wackelt man sich nach rechts, wo die Füße einen abschüssigen Tritt finden und für die Hände die diagonal nach rechts ziehende Rissspur anfängt. Nun folgt tolle Freikletterei bis zur offensichtlichen Hauptcrux: Ein nahezu senkrechter Waschbetonbauch. Auch hier ein Dankeschön für die Nachsanierung, denn ohne Nullen wird es schwierig mit dem Wandbucheintrag. Mit einem Rettungshenkel am Ende zieht man sich aus der Plattenflucht hinein in eine bequeme Gufel, mitten in der Wand. Was für ein schöner Ort!
Zwischen erster und zweiter Crux im Querriss.
Fred hat den Rettungshenkel in der Hand.
Ich danach an der gleichen Stelle, von oben. Da kann man sich mal freuen.
Schaut von der Perspektive halt auch echt überhaupt net steil aus 😀
„2 Bier bitte“.
  • 14.SL (6+): Mit dem Wandbucheintrag enden die Schwierigkeiten allerdings noch nicht. Die linke Berandung der Gufel wird in einem steilen, aber gutmütigen Riss angegangen. Ich freu mich im Vorstieg über die vielen Bohrhaken.
Ein letzter Blick zurück in die Gufel.
Raus aus der Nische, rein in den Riss.
  • 15.SL (5) &
  • 16.SL (4): Fred macht eine lange Seillänge daraus, steigt in unmittelbarer Nähe zum Gipfelkreuz aus der Wand und heimst ein paar Glückwünsche von beeindruckten Wanderern ein.

Prächtig, fast schon kitschig ist der Ausblick von hier oben. Flachland mit türkisfarbenen Seen und Märchenschloss auf der einen, Bergwelten auf der anderen Seite. Die Sonne brät uns ordentlich auf den Pelz. Wo geht es denn hier eigentlich zur Gondel? Verrückt, dass dieser Gipfel noch nicht für den Massentourismus erschlossen wurde. Gut so! Wenn auch anstrengend für die Beine.

Blick in die beeindruckende Headwall vom Abstieg aus.
Total entspannte Steinbockfamilie unweit des Säulinghauses.
Unser Tagwerk von unten.

Nach 1100m Abstieg löschen wir die qualmenden Füße noch am Gebirgsbach und holen uns humpelnd das wohlverdiente Tiroler Gröstl mit Bier im Tal. 

Weil Fred Krämpfe im rechten Bein hat, bei mir aber „nur“ der linke Fuß kaputt ist, übernehm ich das Steuer und komme noch in den Genuss von Freds Automatik-Sportlimousine 😀

Steckbrief Säuling, Kombination Guat g’flickt in Reutte + Im Westen nichts Neues

  • Schwierigkeit: VI+ (A0)
  • Absicherung: fast wie im Klettergarten
  • Schlosserei: wenn man vor hat Seillängen zu kombinieren sind 14 Exen ratsam, Friends/Keile bleiben im Tal
  • Hoch / runter: 800hm Zustieg, ca. 400m Kletterei auf 16SL, 1100hm Abstieg

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